Die vierte Braut von Julianna Grohe [REZENSION]
September 23, 2017
In Wahrheit war die Sache mit Cinderella ganz anders … Auf
Wondringham Castle findet eine riesige Brautschau mit vielen Prüfungen statt.
Unzählige junge Damen aus allen Teilen des Landes kommen zum Schloss, um die
Gunst eines der vier Prinzen zu erlangen. Aber die junge Gouvernante Mayrin
Barnaby, die durch unglückliche Umstände ebenfalls dorthin gerät, will gar
keinen Königssohn heiraten, sondern nur schnellstmöglich zurück nach Hause.
Dort warten ihre beiden jüngeren Geschwister auf sie, für die sie
verantwortlich ist. Als jedoch der charismatische Hauptmann dafür sorgt, dass
Mayrin bleiben kann, beginnt ein aufregendes Abenteuer voller Leidenschaft und
Intrigen.
Zitat:
"Ich fürchte ich bin so beschäftigt damit, die Prinzen für
mich zu begeistern, dass es mir nicht gelingt, mich für die Prinzen zu
begeistern."
Zunächst
einmal vorweg: Ja, es gibt auch Männer, die gerne romantische
Geschichten lesen und auf Disney abfahren. Ich mag romantische Geschichten, ich
mag Disney und ich habe schon sehr viel Gutes über dieses Buch gehört. Da war
für mich klar, es mir zu besorgen und zu lesen und entsprechend hoch war auch
die Erwartungshaltung.
Ich muss
zugeben, dass ich nach dem vielversprechenden Prolog, die
ersten paar Prozent (ca. 10%) etwas skeptisch war. Das Buch hat keinen Sog auf
mich ausgeübt und ich las mit mäßiger Begeisterung, da alles (zu Beginn) sehr
nach Schema F und voraussehend wirkte. Es war aber nicht „schlimm genug“, um
das Buch abzubrechen (dazu muss auch gesagt werden, dass ich eine sehr, sehr
niedrige Toleranzschwelle habe. Wenn mich ein Buch langweilt oder nicht packen
kann, breche ich knallhart ab.)
Dieser erste Eindruck änderte sich aber recht schnell mit dem
Auftauchen des Hauptmannes Kane. ;)
Aber von
Anfang an: Selbstverständlich erinnert der Plot und das Setting
sehr an Formate wie GNTM oder Der Bachelor (ich habe diese Sendungen nie geschaut,
aber von dem, was man so mitbekommt). Das Ganze vermischt mit einer Prise
adelige Ladies und statt eines Geschäftsmannes Prinzen, et voilá hat man Die
vierte Braut von Julianna Grohe.
Doch dieser
Schein trügt, denn die Ich-erzählende Protagonistin Mayrin rutscht nur
durch einen Zufall hinein und will eigentlich nichts anderes, als zurück zu
ihren Geschwistern, deren Erziehung sie recht jung nach dem Tod der Eltern
übernommen hat. Durch diesen Schicksalsschlag ist Mayrin viel
verantwortungsbewusster, ernster und realistischer geprägt, als viele der
anderen Kandidatinnen. Zwar entstammt Mayrin ursprünglich einem guten Hause,
muss sich jedoch recht früh in ihrem Leben der bitteren Realität stellen. Dabei
bleibt sie aber immer positiv, statt über ihr Schicksal zu jammern. Mir war sie
sehr sympathisch und ich fand, dass die Autorin jede ihrer Gedanken und
Handlungen sehr nachvollziehbar gestaltet hat.
Am Anfang
versucht Mayrin alles zu tun, um „raussortiert“ zu werden, um zurück
nach Hause zu kehren und verhält sich dabei so erfrischend anders, dass sie
wider Erwarten Runde um Runde weiterkommt. Nachdem der Hauptmann von ihrer Not
erfährt, setz er alle Hebel in Bewegung, um ihr zu helfen, damit sie weiterhin
(und legal) an der Brautschau teilnehmen kann. Auch er wurde dadurch ein sehr
sympathischer Charakter, der durch seine Handlungen bestach, statt durch reine
Versprechungen.
Mayrin
rechnet nicht damit gegen die ganzen anderen Damen eine Chance zu haben. Dennoch
macht sie so lange es geht mit, da mit jeder Runde auch eine Belohnung auf die
Kandidatinnen wartet und sie sich – immer mit dem Wohl ihrer kleineren
Geschwisterkinder im Hinterkopf – schließlich doch von ihrer Freundin und dem
Hauptmann dazu breitschlagen lässt, „im Rennen“ zu bleiben.
Sehr schön fand ich, wie die Spannung und das Knistern
zwischen ihr und dem Hauptmann nachvollziehbar und langsam aufgebaut wurden.
Beispiel:
»Guten Abend, Miss Barnaby.« Er machte eine leichte
Verbeugung. »Es gibt da zwei kleine Personen, die Sie begrüßen wollen«, sagte
er mit nervtötender Ruhe. Und dann hielt er mir rasch den Mund zu, als hätte er
geahnt, dass ich einen Freudenschrei nicht würde unterdrücken können.
»Werden Sie es schaffen, leise zu sein?«, flüsterte er dicht
an meinem Ohr.
Alles steht mehr zwischen den Zeilen, sodass eine ganz
besondere Stimmung entsteht.
Beispiel: Mayrin wurde von einem der Prinzen auf ein Date
eingeladen. Alle anderen Mädchen sind ganz scharf auf diese Dates, da das ihre
Chancen erhöht, erwählt zu werden. Gleichzeitig bot der Hauptmann vorher an,
dass sie in seiner Begleitung etwas Zeit mit ihren Geschwistern verbringen
durfte. Das sind Mayrins Gedanken dazu:
Voll Vorfreude machte ich mich nach dem Mittagessen auf den
Weg zum Bogenschießen mit Prinz Darion. Ich würde mit Mr Kane rodeln gehen!
Selbst Tionne hatte es mit ihren bohrenden Nachfragen, was
denn da zwischen dem Hauptmann und mir wäre, nicht geschafft, mir die
Gelassenheit zu rauben. Ich war ihr ausgewichen, denn da gab es nichts zu
erzählen. Ich fand ihn nett, und er kümmerte sich rührend um meine Geschwister.
Weiter nichts. Jawohl!
Man merkt einfach, wo bzw. bei wem Mayrins Gedanken
eigentlich die ganze Zeit über sind, ohne dem Leser auf die Nase zu binden,
dass sie sich für ihn interessiert – zumal ihr das selbst sowieso erst relativ
spät bewusst wird.
Auch die
Atmosphäre dieses Haufens Mädchens, die alle große Hoffnungen
haben, wurde von der Autorin gut vermittelt. Man bekam ein Gefühl für die Menge
an Kandidatinnen, ohne von unnötigen Charakter Ein- und Ausführungen erschlagen
zu werden. Dabei wurde natürlich auf einige Nebencharaktere etwas ausführlicher
eingegangen, die man das ganze Buch über begleitet, lieb- und hassen gelernt
hat und auch hier muss ich sagen, dass die ursprünglich gedachte
Vorhersehbarkeit nicht erfüllt wurde.
So einige der Mädchen verhielten sich anders (oder aus
anderen Motiven) als zunächst erwartet. Das hat die Autorin sehr gut
hinbekommen. Man erfährt sowohl von bedingungslose Konkurrenzkämpfen und
intrigante Verstrickungen, als auch von Freundschaften, die sich langsam heraus
kristallisieren. Dadurch wurden die Prüfungen und Lehrstunden, die die Mädchen
über sich ergehen lassen müssen, sehr erfrischend und unterhaltsam untermalt.
Schön fand ich auch, dass Mayrin das alles oft hinterfragte
und sich darauf besann, dass sie das alles nur für ihre Geschwister tat. Denn
mehr als einmal fragte auch ich mich „Wieso tun sich Frauen so etwas an?“
Dadurch, dass Mayrin diese Gedanken teilt, entsteht ein großes Identifikationspotential.
Alles in allem ist der Stil von Julianna Grohe flüssig,
humorvoll und sehr unterhaltsam, sodass ich beim Lesen großen Spaß hatte. Eine
Spur Vorhersehbarkeit empfinde ich bei so einer Geschichte überhaupt nicht
schlimm, da es eine Liebesgeschichte ist. Etwas Anderes, als ein Happy End, in
dem beide „sich kriegen“, wäre Betrug an den Leser. Wichtig ist, wie man dahin
kommt. Aber es gab auch unerwartete Wendungen, was ich sehr gut fand.
Für alle, die etwas zum Träumen für Zwischendurch suchen, mit
sympathischen Charakteren und keine „tiefsinnig schwere Kost“ erwarten, absolut
empfehlenswert!
Das Einzige, das mich ein wenig irritiert hatte, war, dass
ich nicht wusste, in welcher Epoche ich die Geschichte anzusiedeln hatte, oder
ob überhaupt, da das Königreich ein erfundenes ist. Praktisch ein modernes
Märchen mit einer Mischung aus neuzeitlichem und 18. Jahrhundert Empfinden. Ich
denke, das trifft es am ehesten?!
Aber auch das hat das Lesevergnügen (für mich) nicht
geschmälert, weswegen ich der Geschichte 4,5 Sterne gebe, die ich auf 5 Sterne
aufrunde.
1 Kommentare
Ahoy John,
AntwortenLöschenach wie süß, da wollte ich nur mal reinstöbern, um zu sehen, was du von dem Buch hälst und entdecke die Verlinkung. Danke! *-*
Ansonsten kann ich dir nur zustimmen, die Frage nach dem Setting hatte mich auch umgetrieben, dafür war ich aber begeistert von dieser Wendung um Mr Kane und das die Geschichte zwar Stil "Selection", aber viel bezaubernder und überraschender ist :)
Liebe Grüße, Mary <3