Tochter der Dunkelheit von Tanya Carpenter [REZENSION]
September 16, 2017
Der erste Band einer ebenso
düster-fesselnden wie erotisch-prickelnden Mystery-Serie
Als die junge Hexe Melissa
sich in den unwiderstehlich attraktiven Vampir Armand verliebt, will sie mehr
über diese faszinierende Spezies der Untoten erfahren. Doch bei ihren
Nachforschungen enthüllt sie ungewollt das Geheimnis ihrer eigenen Herkunft und
bringt sich damit in Lebensgefahr. Mit Armands Hilfe sucht Melissa Zuflucht bei
einem mysteriösen Geheimbund. Aber ist sie hier wirklich in Sicherheit?
ACHTUNG: MEGA-SPOILER-ALARM!!!
Falls du das Buch noch lesen möchtest – *hysterisches-Flüstern* TU ES
NICHT!!! – solltest du hier aufhören zu lesen. Alle anderen: Macht es
euch bequem, bedient euch an den Keksen und dem Kaffee, das wird jetzt etwas
länger …
Bei dem Buch stimmt einfach so vieles nicht, dass ich nicht weiß,
wie ich meine Gedanken ordnen soll, um alle Unzulänglichkeiten aufzuzeigen.
Oder – um es mit Jacks Worten zu sagen – das Buch in seiner
gesamten Scheißigkeit darzulegen.
Eigentlich begann es wirklich
vielversprechend. Gut, von Anfang an war klar, dass die Beziehung zwischen der Hexe Melissa und dem Vampir Armand ((!) darauf gehe ich
später noch ein!!) etwas schnulzig wird, aber darüber kann man bei dem Genre
großzügig hinweg sehen. Die Hexen-Hintergründe und Beschreibungen rund um
Okkultismus und Magie waren gut und bildlich gelungen.
Das war’s aber auch schon. Von
da an ging’s bergab … steil
bergab … Gletscherspalten-tief-nie-wieder-herauskommen-und-einen-langsamen-qualvollen-Kältetod-sterben
bergab.
.
Während mich die Abstrusität, die die Autorin einem in diesem Buch auftischt, am Anfang noch amüsiert hat (ehrlich, es war SO schlecht, dass es schon wieder komisch war), wurde es, je weiter ich las, so beschissen, dass ich mich am Ende nur noch über so viel handwerkliche Unfähigkeit, inakzeptable Ideen, dumme Protagonisten und unmoralische Botschaften ärgern konnte!
Aber der Reihe nach.
1.) Figuren
Da hätten wir zum einen, wie
oben schon erwähnt, den Vampir Armand. Er hat langes, schwarzes, seidig-zart
schimmerndes Haar, trägt elegante Kleidung, hüllt sich in einen edlen schwarzen
Umhang und stammt ursprünglich aus Paris.
Hmmm … an wen erinnerte
mich das? Irgendwie erweckte das gewisse Assoziationen zu … zu … ich
komme gerade nicht drauf …Na, vielleicht fällt es mir ja später noch ein.
Bei seinem ersten Auftritt
lauert er der (nackten) Protagonistin in ihrem Schlafzimmer auf, eröffnet ihr
gleich, dass er ein Vampir ist und sie schon seit einer ganzen Weile nachts
beobachtet. Äh, creepy much?
Aber anstatt dass sich Melissa zu einer normalen, nachvollziehbaren, menschlichen Reaktion hinreißen
lässt – indem sie zum Beispiel schreiend davon rennt, ihm eine Lampe
an den Kopf wirft, mit Pfeffergas vollspritzt oder in der örtlichen
Irrenanstalt anruft, um denen mitzuteilen, dass da etwas entlaufen ist, fühlt
sie sich gleich auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen (gähn!) und beginnt
ein Pläuschchen mit ihm. Naja, irgendwie hat auch Angst vor ihm, aber
eigentlich … er ist doch so gutaussehend und eloquent und rezitiert
schnulzige Gedichte von Goethe und Joseph von Eichendorff. Da *muss* man doch
fasziniert sein und sich gleich verlieben! Nicht.
Außerdem kann er noch:
Gedanken lesen, Feuer per Gedankenkontrolle kontrollieren, schneller fliegen
als das Licht (Einmal von London nach Brasilien in 30 Minuten? Air Armand
macht’s möglich.) Das hat zu ein paar unfreiwillig komischen Szenen geführt,
v.a. wenn sich Melissa noch an ihn klammert und sie gemeinsam einmal um die
Welt fliegen und zurück.
Irgendwann sagt er Melissa,
dass sie keine Angst vor einer Schwangerschaft, sondern vor anderen Dingen haben
muss, wenn sie sich sexuell auf ihn einlässt. Er geht nicht näher drauf ein,
aber mir kam unweigerlich der Begriff *hust* „Geschlechtskrankheiten“ *hust* in
den Kopf.
Gleichzeitig ist er
wiederrum furchtbar eifersüchtig und besitzergreifend. Z.B. verprügelt er jemanden, weil er denkt, derjenige
würde auf Melissa stehen (allerdings ist nie etwas zwischen den beiden gelaufen).
S. 161/162: [Melissa]:
„Tu
das nie wieder, hast du verstanden? Ich will nicht, dass du ihm noch einmal
wehtust.“
Das Geräusch, als er
mir mit dem Handrücken ins Gesicht schlug, war schlimmer, als der Schmerz. Der
Schlag war nicht fest. Trotzdem schockierte es mich, dass er nicht davor
zurückschreckte, mich zu züchtigen. Ungläubig starrte ich ihn an.
„Je suis désolé, ma
petite“, sagte er. Sein Ton strafte seine Worte Lügen. „Aber ich warne dich:
Lass dich nicht mit ihm ein!“
„Aber er ist mein Freund.“
„Und es ist besser,
wenn er niemals mehr wird als das.“
„Warum?“
Er packte mich am
Handgelenk und zog mich dicht zu sich heran. Sein Flüstern klang bedrohlich.
„Weil das sein Tod wäre. Ich werde nie zulassen, dass du einem anderen gehörst.
Und ich werde dich mit niemandem teilen.“ Er küsste die gerötete Stelle auf
meiner Wange.
Das wäre meiner Meinung nach ein guter Moment, um diesen gewalttätigen Grobian zum Teufel zu jagen.
Stattdessen verzeiht Melissa ihm auf den nächsten Seiten, weil sie nicht anders
kann. Weil sie bereits unsterblich in ihn verliebt ist. Und außerdem hat er ja ihre
Wange gesund geküsst. Ach, wie romantisch! Nicht.
Überhaupt wurden in dem Buch
ständig künstlich erschaffene, übertrieben daherkommende Konflikte aus dem
Boden gestampft, nur damit sie sich drei Seiten später wieder in Wohlgefallen
auflösen, Herzchen durch die Luft fliegen und alle sich lieb haben.
Da fragt
man sich als Leser unwillkürlich „Hä? Und wozu war das jetzt gut?“
Eine andere Frage, um die man
als Leser bei dem Buch nicht umhinkommt, ist, weshalb Armand und Melissa sich
eigentlich lieben? Praktisch von S. 1 an sind beide unsterblich ineinander
verliebt, sodass ich extra noch mal geschaut habe, ob ich wirklich Teil 1 der
Reihe lese, weil ich das Gefühl nicht loswurde, etwas verpasst zu haben. Es kam
einfach nicht bei mir rüber. Gut – Armands Erklärung ist, dass Melissa genauso
aussieht, wie seine verstorbene große Liebe aus der Zeit, als er noch ein
Mensch war. Das hören Frauen natürlich besonders gerne … „Ey, Schnecke, du
siehst aus wie meine verstorbene Ex, über die ich nie hinweg gekommen bin. Wie
wär’s mit uns?“
Dö-dum!
Gibt es einen weiblichen
Charakter, der noch dümmer ist, als Bella Swan? Seit diesem Buch kann ich die
Frage guten Gewissens mit „Ja, gibt es!“ beantworten: Melissa, die Hexe.
Während Bella wenigstens noch begreift, dass es eine echt blöde Idee war, nachts alleine in eine
dunkle Gasse zu biegen und dass die dunklen Typen, die sie verfolgen, nichts
Gutes im Schilde führen können, peilt Melissa nicht einmal das!
Abgesehen davon,
dass sie sich wie eine unreife, pubertierende Dreizehnjährige verhält (rollt
ständig mit den Augen, bricht die Regeln ihres Hexenzirkels und gibt für ihr
Fehlverhalten immer anderen die Schuld, anstatt selbst mal Verantwortung für
etwas zu tragen), schlittert sie von einer Katastrophe in die nächste.
Zwar versucht die Autorin einem per Presslufthammer-Taktik in den Kopf zu hämmern wie clever Melissa doch ist, wenn
man als Leser aber ein ganz anderes Gefühl bekommt, bleiben das lediglich leere
Worthülsen. Da hilft es auch nicht, wenn die Nebencharaktere, die in diesem
Buch ungefähr so dreidimensional sind wie Pappaufsteller, immer betonen, was
für eine Kluge und Süße und Liebe sie doch sei.
Trotz der schlimmen Dinge, die Melissa passieren, schafft man es als Leser nicht, eine Bindung zu ihr aufzubauen. Obwohl fast das ganze das Buch in der Ich-Perspektive aus ihrer Sicht geschrieben ist. Z.B. wird sie mehrmals vergewaltigt (von unterschiedlichen Vampiren) und richtig übel gefoltert (fast zu Tode), weil sie sich – um Armand nach einem Streit zu ärgern – von einem Badboy auf einem Motorrad in ein billiges Motel fahren lässt. Leider stellt sich blöderweise heraus, dass der Typ noch eine Rechnung mit ihrem „Geliebten“, wie sie Armand die Hälfte der Zeit über nennt, offen hat und das an Melissa auslässt, um sich an Armand zu rächen. Anschließend wird das in keinster Weise thematisiert. Melissa wird gerettet und das einzige woran sie denken kann, ist Armand. Psychisches Trauma wegen der Folter und tagelangen Vergewaltigung? Angstzustände? Aufbereitung der Geschehnisse? Fehlanzeige. Sobald sie wieder in Armands Armen liegt, haben sie tollen Sex und alles ist vergessen.
Nebencharaktere:
Melissas Vater Franklin, von
dem sie erst am Ende des Buches erfährt, dass er ihr Vater ist (zu dem Armand
hinter Melissas Rücken übrigens ebenfalls eine sexuelle Beziehung führt – muss
ich mehr sagen?)
Diverse Leute aus dem Zirkel,
weitere Vampire, ein paar Hexen … allesamt seelenlose, unbedeutende
Statisten. So blutleer wie die Opfer eines Vampirs und so lebhaft wie die
lebensgroßen Starposter aus der BRAVO, die (btw) nie wirklich lebensgroß waren.
(Wisst ihr noch?)
Generell agierten die Figuren
unnachvollziehbar und übertrieben. Ständig wurde etwas „ausgestoßen“,
„geschrien“, „eifersüchtig aufgebraust“, „mit Türen geknallt“, „wütend davon
gestampft“, etc. Das Verhalten der Charaktere erinnerte mich an schlechte
C-Schauspieler aus Telenovelas und Soaps, die viel zu übertrieben schauspielern
und denken, dadurch echte Emotionen zu zeigen, während es in Wirklichkeit nur
lächerlich wirkt.
2.) Schreibstil:
Grausig! Das
schriftstellerische Unvermögen war an dem Buch so ziemlich das einzige
gruselige – das dann aber immerhin so richtig! Was eine Julia Adrian mittels
weniger Worte zaubern kann (Orte malen, Emotionen erwecken, das Gefühl haben
„dabei zu sein“), schafft Tanya Carpenter nicht mal ansatzweise auf 20-30
Seiten.
Sacré Bleu! Jetzt habe ich
Julia Arian und die Autorin dieses Verbrechens an die Leserschaft in einem Satz
genannt!
3.) Moralische Botschaft:
Das Verhalten der Vampire mit
den Opfern zu spielen, bevor sie sie töten, wie eine Katze mit einem Mäuschen,
wird in dem Buch als salonfähig und vollkommen in Ordnung verkauft. Es wird – anders
als etwa in „Interview mit einem Vampir“ – von der Protagonistin
weder infrage gestellt, noch kritisiert oder thematisiert. Für sie scheint es
völlig normal zu sein.
Hey, ihr Geliebter muss doch schließlich essen! Auch
vermeintliche Kleinigkeiten sorgten
dafür, dass ich nur fassungslos mit dem Kopf schütteln konnte und mich fragte
„Was zum Teufel hat sich die Autorin dabei gedacht??“ Z.B. bricht Armand in
Venedig in einen Juwelier ein und klaut Schmuck für Melissa (wie, äh,
romantisch?) und Kostüme für sich und sie. Auf ihre Frage, ob er dafür zu
bezahlen gedenkt, antwortet er „Nö, wie den Schmuck klaue ich das. Warum? Weil
ich es kann! Ich bin ein Vampir. Ich stehe über den schnöden, menschlichen
Gesetzen!“ Sehr sympathisch!
Ist ja auch nicht so, dass der
Typ steinreich wäre und dadurch mal eben die Existenz von venezianischen
Kleinunternehmern gefährdet.
Neeeeiiiiiiin!!!!
Das alles wäre für mich übrigens
okay, wenn die Vampire die Antagonisten, die „Bösen“ wären. Sind sie aber
nicht. Sie sind „die Guten“, die, mit denen man sich als Leser identifizieren
soll. Vielleicht kann das ja der eine oder andere Psychopath – ich habe mich
damit schwer getan.
Ach, ich könnte mich endlos
aufregen, höre jetzt aber hier mal auf!
Oh, eines noch: Ganz zum
Schluss wird das Mysterium der Ähnlichkeit um Armands verstorbenen Frau und
Melissa aufgelöst. Sie ist seine Ur-ur-ur-ur-ur-(etc.)-Enkelin. D.h. die
Tochter der Tochter der Tochter (usw) von Armand selbst und seiner toten Frau.
Geht es nur mir so oder ist das irgendwie ein bisschen inzestuös?
Dieses Buch war durch und
durch eine absolute Katastrophe. Bescheuerte Figuren, ein grausiger
Tell-no-Show-Stil, der nur noch durch „Und dann … und dann … und dann …“-Satzkonstruktionen
in seiner Grausigkeit getoppt werden könnte und äußerst zweifelhafte Botschaften,
die meiner Meinung nach die Oberflächlichkeit und das Unvermögen, sich in
andere Hineinversetzen zu können, der Autorin zeigen.
Aber wie immer lade ich jeden
dazu ein, sich eine, ähem, eigene Meinung zu dem Buch zu bilden.
Und ich mache jetzt erst
einmal einen Dracula re-read, in der Hoffnung einige meiner abgestorbenen
Gehirnzellen wieder reanimieren zu können.
Glitzerhaufen hat das Buch
nicht verdient – nicht mal eines! –stattdessen hat es ganz
andere Häufchen verdient, aber ich will jetzt nicht vulgär werden.
Null Glitzer für Armand und
Melissa. Verrottet in euren Särgen, ihr Loser!
3 Kommentare
Hallo John.
AntwortenLöschenEine wirklich sehr unterhaltsame Rezension! Gefällt mir sehr und hat mich echt unterhalten (wahrscheinlich mehr, als es das Buch je tun würde, wenn ich das nach der Rezension so einschätzen darf). :D
Das was du beschreibst klingt wirklich grausig und der kleine Auszug bestätigt diesen Eindruck sehr! Ich denke daher, dass ich deine "Einladung", sich eine eigene Meinung zu bilden, daher ausschlagen werde. *lacht* Das Buch muss ich nicht lesen und bei Vampiren muss man sich echt gut überlegen was man liest, schließlich gibt es so viele Bücher mit Vampiren. :)
Einen schönen Samstag!
Liebe Grüße
Katja
Ich habe die ganze Zeit überlegt, warum es mir so bekannt vorkam und dann, als du den Diebstahl erwähntest und das irgendwie inzestiöse Geschehen, fiel es mir ein: Ich besitze dieses Buch. Irgendwo.
AntwortenLöschenEs hat für mich keinerlei Wert und ich habe wenig Gedanken daran verschwendet.
Deine Rezension rief mir aber mein eigenes Unverständnis beim Lesen dieses Werkes wieder auf den Plan.
Gut getroffen und ich stimme ziemlich mir dir überein, zumindest was dieses Buch betrifft.
Gruß Nathalie von Books&Scotland
Hey,
AntwortenLöschenich lese auf deinem Blog oft nur still mit, aber ich muss echt sagen, ich liebe deine Rezensionen. Ich hätte mich am liebsten vor Lachen am Boden gekugelt. Ich oute mich jetzt mal als Twighlight Fan und hoffe du bewirfst mich nicht mit Glitzerstaub :) Aber was du über dieses Buch schreibst, lässt mir die Haare zu Berge stehen. Tagelange Vergewaltigung und Folter und dann hat sie Sex mit ihrem Liebsten als wäre nichts gewesen? Und er hatte ein Verhältnis mit ihrem Vater??? Am besten fand ich den Satz ,ey Schnecke...." Das hast du so genial rübergebracht :) Wie du merkst, konnte deine Rezension mich echt gut unterhalten :)
Liebe Grüße
Nadine