Wenn ich nicht genug bin von A. L. Kahnau [REZENSION]
November 10, 2018
"Sei doch einfach du selbst."
"Und wenn ich nicht genug bin?"
"Genug was?"
"Genug von allem."
Die Leute sagen, wir sind eine Familie voller Versager.
Ein Vater, der trotz Arbeit seine Familie nicht ernähren
kann. Eine Mutter, die bereits in ihrer Jugend ihr erstes Kind bekam und nun
mit bald vier Kindern und Haushalt überfordert ist. Eine kleine Schwester, die
in der vierten Klasse noch am Daumen lutscht. Ein großer Bruder, der sein Leben
nicht auf die Reihe bekommt und nachts sturzbesoffen in sein Bett kotzt.
Und dann bin da noch ich. Ich bin die Schlimmste von allen.
Denn ich betrüge jeden Einzelnen von ihnen. Jeden Tag aufs Neue.
A. L. Kahnau – es wurde ENDLICH Zeit, dass ich eines deiner
Bücher lese! Ich habe es begriffen! UND ICH HOFFE, IHR AUCH! *Streng durch die Runde
schau*
Die gute Frau Kahnau MUSS man gelesen haben. Ganz einfach. Ohne weitere
Zusätze oder die Erlaubnis der Frage: Wieso!
Und das ich mir ausgerechnet ihr
neustes Werk als mein „Erstes Mal mit ihr ^^“ auserkoren habe, war wohl
Schicksal. Denn ich habe dieses Buch fast in einem Rutsch durchgelesen. So bis
zum letzten Wort. Ohne lange zu pausieren! Und das, mit meinem aktuellen, rießen, glitzerlosen Lesetief! #Applausfürmich #ApplausfürdieAutorin #Applausfüreuch #DaserstmalmitihrohneZwischenfälle
#WOW
In „Wenn ich nicht genug bin“ wird das Thema Armut ganz großgeschrieben.
Aber nicht die Armut alleine ist das Tragische an dieser Geschichte: Es sind
viel mehr die Konsequenzen, welche diese mit sich bringt. Vor allem für die 15-Jährige
Joe. Ihr Leben wirkt auf den ersten Blick sehr mitleidsbedürftig…Sie lebt mit
ihrer Familie in einer Hartz4 Hochhaussiedlung, die bekannt ist für ihre
ärmlichen Verhältnisse. Ihre kleine Schwester Emily ist das Küken und wird dementsprechend
auch von ihren Eltern stets beschützt. Ihr großer Bruder hat keinen
Schulabschluss und auch keine Ausbildung in Sichtweite…und Joe steckt als
Mittelkind dazwischen.
Das ganze Buch mitsamt meiner Reaktion in einem Satz:
Wie ein Unfall, bei dem Auto für Auto weiter reinkracht und
man als Außenstehender mit offenem Mund einfach auf der Straßenseite davorsteht
und vor lauter Schock seinen Blick nicht abwenden kann.
Dabei fängt das Buch „langsam“ an und steigert sich Situationsbedingt
Stück für Stück…und man kann es SO nachempfinden. Jeden dummen, kleinen Fehler,
jede noch so große Lüge: Egal, ob es Joe unsympathisch machen „müsste“: Man
KANN ALLES mit ihr mitempfinde. Man LEBT förmlich den inneren Konflikt dieses
erst 15-Jährigen Mädchens, das einerseits ihren Eltern keine Vorwürfe machen
möchte, aber anderseits Angst hat. Angst, ihre Freundschaften zu verlieren,
weil sie eben ärmer ist. Angst vor der Zukunft. Angst davor, dass ihre Eltern
nicht mehr hinterherkommen, ihre Kinder richtig zu versorgen.
Ufufuf…aber alles der Reihe nach.
*Schweißperlen von der Stirn
abtupft und ein Schluck Wasser trink*
Ich finde, SOLCHE Bücher sollte man in der heutigen Zeit den
verwöhnten (sorry, is so) Gören in der Schule servieren…wenn die überhaupt was Anderes
als ständig ins Handy glotzen können…
Ernsthaft.
Unsere 15-Jährige Joe hier ist MITTEN in der grausamen
Pubertät von heute! Wo du als 14-Jährige erst noch ein Kind bist und sich binnen
einem Jahr das ganze Leben verändert. Dank der Pubertät. Da ist das „draußen
spielen“ nicht mehr cool, sondern es heißt nur noch: Shoppen, feiern gehen und
und und. Hauptsache, du bist angesagt.
Ich bewunde A. L. Kahnau für dieses Thema. Sie hat es, wie
ich persönlich finde, in einem perfekten Erzähl-/ und Schreibstil
wiedergegeben. Wie sich ein Mädchen in der Situation wie Joe mitsamt ihrer
Familie fühlt. Wie unangenehm es ist, sich und seine Familie zu verstecken, Wie
man lügen muss, weil man eben nicht mal 10 Euro für einen Kinobesuch mit seinen
Freundinnen hat. Wie man die alten Klamotten des großen Bruders tragen muss, da
es für neue einfach kein Geld gibt. Geschweige denn genug Essen. Und das,
obwohl der Vater Vollzeit Tag ein und Tag aus schuftet wie ein Schwein…welcome
to our society.
Mir gefiel also das Thema, das jetzt nicht wirklich ein Buch
ist, welches mit gute Laune beschert. Nein. Es hat mich zum Nachdenken und
mitbibbern gebracht. Und das, obwohl es sich hier ja „nur“ um ein
Teenie-Mädchen dreht. Die Autorin hat versucht, das Ganze nicht zu tief aber
auch nicht zu harmlos dazustellen und ich finde, ihr ist da die perfekte
Mischung gelungen. Dieses Buch ist für alle, die sich mal mit einem ernsten
Thema beschäftigen aber sich nicht damit langweilen möchte.
Wer dazu noch eine glaubhafte Schreibe wünscht mitsamt einem „das Leben ist nicht perfekt, also schreibe ich es auch nicht schöner um“ Schuss, der sollte sich DRINGEND dieses Jugendbuch zu Gemüte führen.
Wer dazu noch eine glaubhafte Schreibe wünscht mitsamt einem „das Leben ist nicht perfekt, also schreibe ich es auch nicht schöner um“ Schuss, der sollte sich DRINGEND dieses Jugendbuch zu Gemüte führen.
Was mich aber letzten Endes am meisten an den Glitzer hatte, war diese Steigerung an „Kleinigkeiten“ bis hin zu „das wird jetzt ganz böse enden…“ Momente. Sie baut wirklich VIEL
Mist! Und sie toppt es! Stück für Stück zieht sich diese Schlinge da um ihren
Hals…und gleichzeitig auch die Schlinge um MEINEN während des Lesens!
Ich habe nichts erwartet und bekam so viel mehr. Es ist kein „es
hat mich derbe geflasht Buch“ sondern mehr ein: ich bewundere die Autorin für
diese Story und habe mitgefiebert bis zum Schluss mit der Protagonistin – Buch!
Und SOLCHE Bücher sind es wert, in meinem regal zu stehen. Ich freue mich schon
drauf, wenn ich endlich mal die Zeit klaue mir ihre anderen Bücher vorzunehmen!
0 Kommentare