Ein Hauch von Schicksal von Lara Wegner |REZENSION|
Mai 16, 2017
Ein Amulett, mehr ist Grace von ihrer Familie nicht geblieben. Angeblich
erfüllt es Wünsche. Obwohl sie nicht daran glaubt, wünscht sie sich ein neues
Leben. Am nächsten Morgen erwacht sie nicht nur im 17. Jahrhundert, sondern
auch noch in einer Ehe mit dem ehemaligen Freibeuter Rhys Tyler, mit dem sie
nach Barbados segeln muss. Niemals hätte sie erwartet, in diesem Mann ihre
große Liebe zu finden. Doch gerade als Grace wieder an das Glück glaubt, werden
sie von Piraten entführt und geraten in die Gewalt eines Mannes, der alles daran
setzt, Grace zu brechen und Rhys zu vernichten. Nichts ist mehr sicher. Denn
auch eine große Liebe kann an der Grausamkeit eines Wahnsinnigen zerschellen.
Ein Hauch von Schicksal ist ein Buch, bei dem
es mir unheimlich schwer fällt eine Rezension zu verfassen. Das Cover ist
grandios, der Klappentext spannend und macht Lust auf mehr.
Aber …
Es hat lange gedauert, bis mir klar wurde, was mich an dem Buch stört,
denn … es ist gut geschrieben. Handwerklich gesehen. Der Schreibstil
ist sehr ausgereift, die Sprache klar, der Plot äußerst gut strukturiert und
die Grundidee der Geschichte als solche sehr interessant. Dafür ein großes
Kompliment an das Können. Aber … leider wollte (bei mir – vielleicht
ergeht es anderen anders) der Funke irgendwie nicht überspringen.
Mein Problem lag eindeutig bei den Figuren. Statt zu
lebendigen Menschen zu werden, mit denen man in die Geschichte abtauchen will,
für deren Schicksal – und wenn auch nur den Hauch davon – man sich interessiert
und mitfiebert, bleiben sie so blass und farblos wie ein Schluck
Leitungswasser, statt wild und aufgewühlt wie die stürmische See, die einem das
Cover verspricht. Der Strudel der Emotionen bleibt ein seichtes dahin
plätschern in einem Tümpel.
Irgendwie konnte ich keine Nähe, keine Stimmung für die Protagonisten
aufbauen, auch für die Liebesgeschichte nicht. Statt Konflikte gemeinsam mit
dem Leser auszudiskutieren, werden sie von der Autorin nur erzählend
abgehandelt, um gleich darauf eine Lösung zu liefern, die ebenso schnell
überflogen wird, damit die Figuren möglichst schnell gemeinsam im Bett landen
können (gähn!).
Dadurch wird eine vermeintlich heiße Sex-Szene zu einer aneinander Reihung
leerer Worthülsen, die bei einem nur ein müdes Seufzen hervorlocken, statt
eines wohligen Luftholens.
Beispiel:
Seit fünf Wochen sind Rhys (ER) und Grace (Ich-erzählende Protagonistin)
auf hoher See auf einem Schiff und haben nach einer Hauruck-Ehe kaum Worte
miteinander gewechselt. Er hat sie die ganze Zeit über ignoriert und ist ihr
ausgewichen, wie aus einem gedachten Nebensatz der Ich-Erzählerin klar wird. So
geht es mit dem Konflikt dann weiter:
»Du glaubst, ich will dich nicht?« Das
warme Timbre seiner Stimme streift in einer Liebkosung über meine Ohrmuschel.
»Bei Gott, Grace, ich will dich, seit du in der Kirche den Schleier
zurückgeschlagen hast und ich zum ersten Mal dein Gesicht sah.«
Ehrlich? Ehe mir bewusst wird, was ich
mache, lehne ich mich an ihn. Sein Körper ist fest wie eine Mauer und warm wie
ein Ofen. Ich fühle mich aufgehoben und ein bisschen benommen, weil alles so
unerwartet kommt.
»Aber warum warst du dann die ganze Zeit
so abweisend?«
»Weil ich mich nicht aufdrängen wollte.«
Ach so. Ich schmiege mich an ihn. »Du
bist ein wahrer Gentleman.«
»Das eher nicht.« Er beugt den Kopf,
schmiegt seine Wange an meine. Bartstoppeln pieken an meiner Haut. »Wirst du
mich in mein Bett einladen, Grace?«
Jederzeit. […]
Also, ich weiß ja nicht, aber irgendwie kommt
das Bild des draufgängerischen, verruchten Piraten in der Szene nicht so ganz
bei mir herüber. Auch kaufe ich es ihm nicht ab, dass er auf hoher See (wo es
abgesehen der eigenen Hände nicht einmal Ausweichmöglichkeiten gibt) fünf
Wochen lang seine frisch geheiratete Frau nicht anfasst – nicht mal mit
ihr spricht, um eventuelle Missverständnisse zu klären. Und das im 17.
Jahrhundert!!! Hahaha! Und dann fragt er auch noch, ob sie ihn ins Bett
einlädt. Ich meine, Whaaat? Von so einem Kerl erwartet man doch, dass er die
Entscheidung trifft, sie über die Schulter wirft und in der Kajüte auf die
Pritsche wirft!
Man liest alles nur, statt zu fühlen. Was man
aber fühlt, ist sich betrogen und zwar von der Autorin, da sie mit Worten so
viel mehr verspricht, als bei mir, als Leser, schließlich ankam.
Alles schwimmt nur auf der Oberfläche.
IHN konnte ich dabei überhaupt nicht greifen. Viel hilft nicht immer viel,
vor allem nicht, wenn es sich um Adjektive bei der Beschreibung einer Person
handelt. Für mich blieb er flach und fad, wie das Poster einer Boy-Band über
dem Bett einer verliebten Teenagerin.
In die Ich-erzählende Protagonistin bekommt man (gezwungenermaßen)
mehr Einblick. Sie hat einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Bei einem
Flugzeugabsturz starb ihre ganze Familie. Jedoch hatte ich bei ihren Gedanken
nie das Gefühl, mich im Kopf von jemandem zu befinden, der wahren Verlust und
schmerzliche Trauer erlitten hat, der aufgrund dessen wie betäubt ist und des
Lebens überdrüssig.
Ich weiß, dass die Autorin dieses Gefühl vermitteln wollte,
weil es im Buch so dasteht … aber … es kommt nicht bei mir an. Auch hier
bleiben die Worte leere, langweilige Hülsen. Grace vermag es nicht, einem ans
Herz zu wachsen, da sie in ihrem ichbezogenen, schnippischen Verhalten alles
andere als sympathisch rüberkommt.
Ihr Leid zu Beginn kam nicht bei mir an, ihre Sehnsucht nach einem anderen
Leben kam nicht bei mir an, ihre tiefe Liebe (oder eher Lust – schließlich gibt
die Autorin ihnen ja nicht einmal Zeit, sich kennenzulernen) für Rhys kam nicht
bei mir an. Vielmehr benimmt sie sich wie ein verwöhntes, zickiges Gör und
überhaupt nicht nachvollziehbar in gefährlichen Situationen.
Beispiel: Grace wäre in der stürmischen See fast ertrunken. Ihr Mann
springt ihr hinterher und rettet sie, kurz bevor die Ohnmacht sie übermannt:
Ach, wie nett. Flaumfederleicht schwebe
ich aufwärts. Das Einzige, was meinen Einzug ins Nirwana oder hinter den
Regenbogen oder wohin auch immer es meine Seele zieht, aufhält, ist ein
Eisenring um meine Mitte. […] Bevor ich mir darüber klar werden kann, was der
schmerzhafte Aufprall bedeutet, trifft eine Hand meine Wangen. Links – rechts –
links. Also langsam reicht´s, auch wenn die leichten Schläge meinen Verstand
wieder in Gang setzen.
Solche Gedanken erwarte ich nicht von jemandem, der nur
knapp dem Tod entronnen ist. Das ist mir zu unbeschwert und kess.
Als kurz mal eine vielversprechende Situation aufkam, in der es
Identifizierungspotential hätte geben können (Stichwort: Selbstmord), in der
auf das Gefühlschaos der Protagonistin ernsthaft hätte eingegangen werden
können, bricht die Autorin ab und beschreibt den Rest der Szene zusammenfassend
mit einigen Sätzen. Verschenkt. Schade!
So blieb mir nichts anderes übrig, als das Buch nach einem Drittel
abzubrechen, da ich beim Lesen überhaupt keinen Spaß hatte.
Es kann gut sein, dass andere Leser einen ganz anderen
Eindruck bekommen, denn hierbei handelt es sich wirklich um eine ganz
subjektive Wahrnehmung. Für mich spielen die Figuren eine zentrale Rolle in
Geschichten, da kann die Grammatik und Ausdrucksweise noch so perfekt sein – Perfektion
ist nicht alles. Manchmal lässt sie etwas sogar kalt und leidenschaftslos
wirken. Es sind die kleinen, unkonventionellen Besonderheiten (meiner Meinung
nach), die etwas erst zu etwas Besonderem machen.
Das bedeutet aber nicht, dass andere Leser sich nicht
an dieser Geschichte erfreuen könnten. Am ausgereiften Stil und der
professionellen Ausarbeitung ist absolut nichts auszusetzen.
2 Kommentare
Hallo Jack,
AntwortenLöschenich hab dir Rezi schon bei "Inflagranti Books" toll gefunden und jetzt hat sie mich wieder davon überzeugt, dass ich wohl doch die Finger von dem Buch lassen soll.
Für das, dass du es abgebrochen hast, sind 3 Sterne/Beglitzerungen ziemlich gut.
Mir ist es auch wichtig, dass Charaktere in die Tiefe gehen und wenn das hier nicht der Fall ist, dann spare ich mir lieber die Lesezeit.
Danke für deine ehrliche Meinung!
Alles Liebe,
Tiana
Hey,
AntwortenLöschenhatten ja kurz bei facebook schon mal darüber geschrieben. Kannn deine Rezension da nachfühlen. Ich habe das Buch komplett gelesen und fand es komplett auch nur mittelmäßig. Leider gab es nichts mehr,was die ganze Sache noch mal spannender gemacht hätte, obwohl einen Nebencharakter gab es, der mir ans Herz gewachsen ist. Das war es dann auch. Einigermaßen okay, war das Buch auch, wo die beiden mal nicht in die Kiste hüpfen konnten, da räumlich getrennt. Zum Schluss fand ich noch einige Dinge einfach nur reingedrückt, so als müsste noch unbedingt was passieren, las sich aber alles sehr gezwungen und hat für mich nichts zum Buch beigetragen.
Viele liebe Grüße,
Jessica