Wenn du dich traust von Kira Gembri [REZENSION]

Mai 31, 2017








Lea zählt - ihre Schritte, Risse im Asphalt, die Erbsen auf ihrem Teller. Seit sie wegen ihrer Zwangserkrankung in einer Klinik gelandet ist, zählt sie aber vor allen Dingen eins: die Tage, bis sie endlich wieder von dort verschwinden kann. Zumindest in diesem Punkt hat sie etwas mit Jay gemeinsam. Vom Jugendgericht zu Sozialstunden verdonnert, kann sich der 20-jährige Bad Boy nichts Schlimmeres vorstellen, als in einer Klapsmühle den Wischmopp zu schwingen. Damit nicht genug, wird er im Büro der Klinikleitung auch noch von Lea beim Klauen erwischt. Anstatt ihn anzuzeigen, schlägt sie ihm allerdings einen Handel vor. Im Tausch gegen ihr Stillschweigen - und eine wertvolle Halskette - lässt er sich zähneknirschend darauf ein ... Ein Liebesroman für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren.

 

Durch Favola bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden und dem Himmel sei Dank, dass ich es mir nach ihrer Begeisterung darüber sofort gekauft habe. Denn nach einer ziemlich miesen „Indie“ Flaute war ich kurz davor, meine Leselust auf weiteren Indie Büchern zu verlieren…Aber ich traute mich, sprang über meine Schatten und wagte einen neuen Versuch mit diesem Indie-Buch.

Vierundsiebzigtausendachthundertsechsunvierzig Wörter…
...und jedes Wort davon trug ein wichtiges Stück dazu bei, um die Gefühle und Stimmung im Buch perfekt an mich, den Leser, zu bringen. Jedes Wort davon fand ihren Platz im Leben der beiden Hauptdarsteller der Geschichte. So natürlich, wie ich in den Gedanken der Protas eintauchen durfte, so locker wurde ich vorangetrieben und war, ohne es zu bemerken, ein Gefangener der Zahlen und „Über´s“.

Keine Erklärungen, Wörter, Gedanken wiederholten sich, nichts wirkte unnütz oder an den Haaren herbeigezogen. Es las sich so authentisch, dass ich Angst um die Zwei hier bekam und am liebsten sämtliche Stecker der  Elektrogeräte in meiner Wohnung rausgezogen hätte.
Nur, damit Lea innerlich zur Ruhe kommen kann und Jay sich nicht mit Leas Ängsten auseinandersetzen muss. Damit die Beiden einfach Striptivity spielen und mich stetig zum Grinsen bringen konnten.
Ich Kritzeleien auf Post-Its entziffern durfte, nur, um beim Erkennen der Botschaft in ein lautes Lachen zu verfallen.
Dass endlich das ganze Chaos zwischen den Zweien verschwindet und sie sich klar und deutlich erkennen können. Erkennen können, wie der andere WIRKLICH ist, anstatt mit der  Schutzmauer des jeweils anderen konfrontiert zu werden.
Ich mit Lea das Chaos um sie herum, durch kontrollieren und aufzählen, zu bändigen versuchte, und mich mit Jay über Macken aufregte, die mir ein Rätsel waren. Ich vergaß, dass es doch nur fiktiv war, dass diese Geschichte, Handlung aus einer Idee heraus geboren wurde und ich diese Gefühle, die ich während dem Lesen verspürte, doch nur ein Gespinst meiner Fantasie war. Oder?

Über ein schwieriges Thema…
Kira Gembri wagte sich hier meiner Meinung nach an kein leichtes Thema heran und stand somit noch kritischer im Fokus meiner Meinung und Aufmerksamkeit.
Eine Frau, die an zwanghaften Störungen leidet, um es mal milde auszudrücken, und das ganze wird noch komplizierter, als sie einen Deal mit einen fremden Kerl startet? Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das Buch mit Vorsicht startete und dem ganzen trotz der zuvor miterlebten Begeisterung über das Buch skeptisch gegenüberstand.

Völlig unbegründet, wie sich ab Leas erster Sichtweise herausgestellte. Denn Kira Gembri verstand, die zwei Sichtweisen, die aus Jays und Leas Blickwinkel erzählt und erlebt werden, perfekt aufeinander abzustimmen. So war es wirklich notwendig und fördernd, wenn ich aus Jays Sichtweise seine „Meinung“ über Lea erfuhr und das wichtigste: Wie er sie sah, wie sie sich in der Öffentlichkeit gab. Denn Lea selbst war oftmals so in ihren Ängsten und Zwängen gefangen, dass ihr selbst gar nicht bewusst war, wie sie auf andere wirken musste. Es war ihr denke ich auch egal, denn sie muss sich damit abfinden, Dinge zu machen, die sie innerlich beruhigten. Dass merkwürdige Blicke in ihrer Richtung da nur ein kleiner „Beigeschmack“ sind, war mehr als verständlich und auch ersichtlich.


38.935 Wörter…
… die eine ganz eigene und einzigartige Protagonistin erschufen, und die man zuvor so sicherlich noch nirgends in einer Liebesgeschichte/Drama antraf. Deren Ängste und Zwänge ihr ganzes Tun und Handeln bestimmte und ihr somit das Leben zur einer unerwarteten Hölle machte. Und meines mit dazu, denn man fühlt sich ihr unwiderruflich verbunden, hat Verständnis, zählt die Dinge mit ihr mit und fängt an zu schätzen, wenn das Zählen schwierig, aber absolut notwendig für Lea war. Ich wollte ihr einfach helfen, den Herd zu kontrollieren, damit ihre Gedanken sich darüber keine Sorgen mehr machen müssen. Ordnete die Bücher in meinem Regal nach einer geraden Zahl, damit sie auch ja nicht dadurch abgelenkt werden konnte.

Kira Gembris Hauptprotagonistin ist nicht einfach ein leicht zu durchschauendes, junges Ding, der einfach mal Eigenschaften angehängt wurden, damit sie uns fortwährend im Buch zu unterhalten wusste. Hier wurde ihr jede Eigenschaft und jeder noch so winzige Gedanke eine Bedeutung geschenkt und vermittelt, wie feinfühlig man mit ihrer Art umzugehen hatte. Dabei ist Lea keinesfalls auf den Mund gefallen und so zerbrechlich, wie sie aussieht, ist sie nicht. Kira Gembri versucht nicht, groß in die Dramakiste zu fassen sondern man findet sich damit ab, so, wie es Lea all die Zeit tat, und durchlebt das Kennenlernen zwischen Lea und Jay.

Über 35.909 Wörter…
… die von einem Womanizer berichteten, der es nicht besser kannte und sein Leben ohne großartig nachzudenken, führte. Jay ist nicht einfach der böse, heiße Kerl (ok, doch irgendwie schon ^^), der Lea den Kopf verdrehen soll. Mag er zwar von Anfang an den Eindruck bezwecken, jede Frau ins Bett zu kriegen (was er auch irgendwie ständig schaffte) wird einem klar, dass das alles bedeutungslos ist. Er versucht dadurch eine Nähe zu schaffen, die rein sexuell zustande kommt anstatt sich wirklich mit der Frau IM Körper auseinanderzusetzen. Klingt seltsam, aber es kam mir einfach so vor, dass er ein Ventil brauchte, um sich von seinem eigentlich zukunftslosen Leben abzulenken und das Beste daraus zu machen – mit jede Menge Spaß, Alkohol, Frauen, illegalen Aktivitäten usw., ohne an die Konsequenzen denken zu müssen. Er bekam sein eigenes Leben, sein eigenes Wesen, das sich stark von Lea unterschied, zugeteilt. Ihm wurde wie Lea eine Vergangenheit, die ihn und sein jetziges Leben prägte, angeheftet. Und als sein Wesen unfreiwillig auf Lenas traf, waren Zankereien vorprogrammiert…

Über einen Gummibaum, dessen Blätter geputzt wurden…
…Lea und Jay begegnen sich zwar schon früher, lernen sich aber erst richtig in der Psychiatrie kennen, in der Lea sich selbst eingewiesen hatte. Die Gründe, wieso Lea so ist, werden nach und nach offengelegt, und man verstand, wieso gewisse Ängste das Leben von Lea beherrschten.
Jay hatte so seine Vorurteile gegenüber die Patienten dort und im Grunde durch eine doofe Sache keine andere Wahl, als auf Leas Deal einzugehen und sie als Mitbewohnerin bei sich aufzunehmen.

Was mir hier besonders gefiel, war, wie Leas Ängste und Zwänge von der Autorin aufgeführt und an wirklich interessanten Beispielen präsentiert wurde. Leas Handeln, mitten in der Verarbeitung ihrer Ängste, ließ mich dann doch mit angehaltenen Atem die Seiten anstarren und so irritierend ihre Aktionen auch waren, so beruhigend las sich es in Leas Gedanken. Sobald sie loslegte, war ich gebannt und konnte mir Bildlich vorstellen, wie sie dieses und jenes zählte und sortierte. Wie Jay aber auch begriff, dass Lena es schaffte, in ihm etwas hervorzuholen, das er an sich bisher noch gar nicht kannte.

Über einen Erzählstil, der erfrischend anders war…
… obwohl Kiras Protagonisten im Buch ihrer „Situation“ angepasst sprachen und alles in einen humoristischen, aber absolut charismatische „Gedankengang“ verlief, war es alles andere als nervig, billig oder störend. Denn wisst ihr was? Die Protagonisten SIND eben genau so. Das dumme an eBooks war auch, dass ich SO TOLLE STELLEN virtuell markieren musste….Virtuell…ja, ich brauche das Buch dringend in Druckform. :D
Ich muss euch eine Stelle zitieren, damit ihr mich da besser verstehen könnt (Schwer zu beschreiben, aber hey, Jay wird mir da jetzt aus der Patsche helfen. )


„Über einen Vollidioten mit meinem Namen

Es ist nicht so, als hätte ich eine miese Nacht gehabt. Schließlich sollte jeder mal verdammte fünf Stunden einfach nur daliegen und an die Decke starren, während die Sonne aufgeht und aus dem Zimmer nebenan spezielle Geräusche kommen. Geräusche, von denen ich nur hoffen kann, dass Flocke sie im Schlaf macht, weil er nämlich garantiert alleine dort drin ist.
Ja, ganz recht. Kill me now.“

Zitat, eBook Seite: 174


1469 Wörter sind nicht mal annähernd gebührend, um Kira Gembris fantastische Liebes-Drama-Story all das Lob zuteilwerden zu lassen, welches ich für sie als Autorin, ihren genialen Erzählstil und ihrer Protagonisten hege. Lenas & Jays Geschichte mag einfach und schnell wegzulesen sein, ist aber mit so viel Liebe zum Detail umsorgt worden, sodass einen das viel länger und intensiver vorkommt, als es vermutlich in Wahrheit ist. Die Übermittlung der Gefühle und das „zusammenkollidieren“ dieser zwei grundverschiedenen Leben war eine unterhaltsame Erfahrung und Reise, die ich am liebsten gleich nochmals antreten würde. Kira Gembri ist seit dem letzten Wort dieser Geschichte einer der großen Indies für mich, zu deren Talent ich aufblicke und deren anderen Geschichten ich unbedingt lesen muss.


Euch meine komplette Begeisterung zu übermitteln, wäre doch stark schädlich für eure armen Nerven. ^^
Lasst mich einfach nur noch Kira danken, dass sie mich überraschen, zum Schmunzeln, Lachen, mitfiebern und zählen brachte, während meine Herz immer weitere Oktaven höher schlug, sobald Jay und Lea ihre Schutzmauern für kurze Augenblicke fallen ließen.




Alles andere als 5 von 5 Glitzerhäufchen wäre nicht gerechtfertigt. *Chaka*





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